Geheimnisse an Extremisten verraten? Zwickauer Ex-Polizeirevierleiter angeklagt

Der frühere Leiter des Polizeireviers Zwickau hat Informationen an eine extremistische Gruppierung weitergegeben. Ob es sich dabei tatsächlich um Dienstgeheimnisse handelte, muss das Gericht klären.

Eine dieser Corona-Demos im Februar 2022. Der Chef des Zwickauer Polizeireviers und der rechtsextreme Stadtrat Sven Georgi begrüßen sich mit Handschlag, wie gute alte Bekannte. Man kenne sich schon von den Demos während der Flüchtlingskrise, wird der Polizist später sagen, und außerdem gebühre es kommunalen Vertretern, Auskünfte von der Polizei zu erhalten. Nur eine kleine Szene am Rande einer Demo. Die „Freie Presse“ hatte darüber berichtet, weil sie den Revierleiter an jenem Tag begleitete. Inzwischen stellt sich die Frage, ob der Polizeibeamte engeren Kontakt zur extremen Szene unterhielt, oder ob es einfach nur ein aufgeschlossener Polizist war, der mit allen einen offenen Umgang pflegen wollte.

Vielleicht gibt es bald Aufklärung. Der Beamte hat jetzt Post bekommen. In dem Kuvert: eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zwickau. Der Vorwurf: Geheimnisverrat. Zwei Wochen hat der Beamte Zeit, sich schriftlich dazu zu äußern. Dann entscheiden die Richter, ob sie die Anklage zulassen. Wenn ja, gibt es noch dieses Jahr einen Prozess.

E-Mail half wohl extremistischem Bündnis

Damit nimmt ein brisanter Fall, der bei den Staatsanwälten schon in der Ablage gelandet war, wieder Fahrt auf. Es geht um eine E-Mail, die der damalige Revierleiter am 5. Mai 2022 exakt 10.03 Uhr von seiner dienstlichen Adresse aus an einen Empfänger verschickt hat, der am 14. Mai eine Kundgebung auf dem Hauptmarkt durchführen wollte. Der Empfänger: das „Volksstimme Bürgerbündnis Zwickau“. Keine gewöhnliche Gruppierung. Der Verfassungsschutz hat sie inzwischen als extremistisch eingestuft, ordnet sie dem Bereich „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zu. Ausgerechnet ihr hat der Polizeibeamte eine Mail mit sensiblen Informationen geschickt.

Das ist unstrittig. Und die Mail hat der extremistischen Organisation geholfen, ihre Kundgebung auf dem Hauptmarkt durchzuführen, die ihr im Vorfeld vom Landratsamt an diesem Ort untersagt worden war. Die Behörde hatte das „Bürgerbündnis“ ursprünglich auf den Kornmarkt verwiesen. Weil an jenem 14. Mai die Stadt Zwickau auf dem Hauptmarkt ein interkulturelles Fest durchführen wollte. Gegen die Entscheidung klagte das „Bürgerbündnis“ und bekam Recht.

In der Mail hatte der Polizist rechtliche Hinweise gegeben, wonach der Stadt eine Sondernutzungserlaubnis fehlte, um auf dem Hauptmarkt ihr interkulturelles Fest durchzuführen. Die Kommune war nach Informationen der „Freien Presse“ davon ausgegangen, dass sie als Eigentümerin der Fläche keine entsprechende Erlaubnis brauche. Das Fest war schon Monate vorher im Veranstaltungskalender angekündigt gewesen. Das „Bürgerbündnis“ und dessen Anwalt Martin Kohlmann, einer der Köpfe der „Freien Sachsen“, konnten dank der Informationen des Polizisten den Streit für sich entscheiden. Aber handelt es sich bei diesen Informationen tatsächlich um Dienstgeheimnisse?

Ex-Revierleiter zum zweiten Mal versetzt

Die Polizeidirektion Zwickau reagierte umgehend. Sie erstattete unter dem damaligen Präsidenten Lutz Rodig gegen ihren Zwickauer Revierleiter Strafanzeige, nachdem sie einen Hinweis zum Verfahrensverlauf erhalten hatte. Der Polizeibeamte verlor seinen Chefposten im Revier, bekam dafür eine Stelle im Referat II des Stabes. Dort hatte er immer noch mit sensiblen Informationen in Verbindung mit Kundgebungen zu tun. Ein Polizist aus dem Umfeld sagte: „Da wurde der Bock jetzt zum Gärtner gemacht.“ Unter dem neuen Polizeipräsidenten Dirk Lichtenberger ist der einstige Revierleiter bei der Kriminalpolizeiinspektion gelandet. „Die Vorbereitung und Durchführung von Versammlungseinsätzen gehören dort nicht zu seinem Aufgabenbereich“, sagt Polizeisprecher Christian Schünemann.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall bereits zu den Akten gelegt, musste ihn aber auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft wieder aufnehmen. Unabhängig vom Ausgang kündigte die Polizeidirektion an, nach Ende des Verfahrens wieder ein Disziplinarverfahren gegen den Kollegen aufzunehmen. Denn für einen Beamten gelten besondere Schweigeverpflichtungen.


MDR 09.08.2023

Druck der GeneralstaatsanwaltschaftInformationen an rechtes Bündnis: Anklage gegen früheren Zwickauer Revierleiter

Die Staatsanwaltschaft Zwickau hat Anklage gegen den ehemaligen Revierleiter der Zwickauer Polizei erhoben. Das bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage von MDR SACHSEN. Die Anklage sei am 14. Juli verfasst und danach dem Amtsgericht und dem Beschuldigten zugestellt worden. Zuerst hatte die „Freie Presse“ berichtet. Der Vorwurf lautet: Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der Beamte hatte demnach im Mai 2022 von seinem Dienstrechner aus eine Mail an ein rechtes Bündnis geschickt. Der Verfassungsschutz stuft dieses Bündnis seit diesem Jahr als „erwiesene extremistische Bestrebung“ ein, die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ betreibe.

In Mail sensible Informationen weitergegeben

In der Mail hat der Beamte Informationen weitergegeben, die er aus einer Lagebewertung über ein geplantes interkulturelles Fest auf dem Hauptmarkt gehört hatte. Mit diesen Informationen als Argumentationshilfe konnte das rechte Bündnis seine geplante Veranstaltung auf dem Zwickauer Hauptmarkt vor Gericht durchsetzen. Zuvor hatte es einen anderen Platz zugewiesen bekommen. Das interkulturelle Fest Zwikkolör wurde letztendlich abgesagt. Nach Bekanntwerden des Falls war der Beamte versetzt worden.

Neue Ermittlungen auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft

Der Mann kann sich nun zu den Vorwürfen äußern. Danach müssen die Richter am Amtsgericht entscheiden, ob der Anklage gegen den Polizisten stattgegeben wird.

Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft den Fall bereits zu den Akten gelegt und die Ermittlungen eingestellt gehabt. Vor einem Jahr hieß es zur Begründung, der Inhalt der fraglichen Mail sei kein Dienstgeheimnis im Sinne des Strafgesetzes gewesen. Das sah die Generalstaatsanwaltschaft offenbar anders: Oberstaatsanwältin Ines Leonhardt erklärte am Mittwoch auf Nachfrage, auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft seien erneut Ermittlungen aufgenommen worden. In deren Verlauf sei man zu dem Ergebnis gekommen, nun doch Anklage zu erheben.